Ablenkbarkeit durch die Benutzerführung eines Navigationssystems

Dieses Projekt wird ebenfalls vom IFT der FH Trier und der Abteilung für Allgemeine und Kognitive Psychologie der Universität Trier bearbeitet. Darüber hinaus unterstützt das Institut für Innovative Informatik-Anwendungen der FH Trier (ebenfalls Mitglied des Forschungsverbundes) dieses Vorhaben.

Um einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zum Thema Navigationssysteme bei Fahrzeugen zu erhalten, wurde eine ausführliche Literaturrecherche gemacht. Die Auswertung der gefundenen Literatur zeigte Forschungsdefizite in den Bereichen Ablenkbarkeit und Aufmerksamkeitslenkung, der Zieleingabe und den Auswirkungen des Fahrens mit Navigationssystemen auf die mentale Repräsentation räumlichen Wissens. Die meisten Fragestellungen wurden zudem mit Hilfe von Fahrsimulatoren durchgeführt, Fahrversuche im realen Verkehrsgeschehen sind bisher selten.

In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Hersteller von Navigationssystemen kontaktiert, die an Fragestellungen zur Erhöhung der Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit Interesse haben. Sowohl die Falk Marco Polo Interactive GmbH als auch die Navigon AG unterstützen unsere Forschungsvorhaben durch die Bereitstellung von Navigationsgeräten. Es besteht ein besonderes Interesse der Hersteller an einem wissenschaftlich fundierten Vergleich verschiedener Navigationssysteme in Bezug auf die Benutzerfreundlichkeit und Ablenkbarkeit.

Für die Forschungszwecke steht ein aktuelles Fahrzeug (Modell Focus C-Max) zur Verfügung, welches bereits mit einem Navigationssystem ausgestattet ist.

In das Fahrzeug wurde Video-Technik zur Überwachung des Fahrers/Probanden eingebaut. Eine Kamera ist auf die Augen des Fahrers gerichtet und erfasst dessen Blickbewegung. Weitere Kameras filmen den Bildschirm des Navigationssystems und den voraus liegenden Straßenverkehr. Die Video-Informationen werden zusammen mit der Information der Fahrgeschwindigkeit durch einen Quadrantenteiler zu einem einzigen Video-Bild zusammengeführt. Ein Rechner im Fahrzeug speichert die Informationen auf einer mobilen Festplatte ab. Im Kofferraum ist ein Spannungskonverter untergebracht, der 220 V Netzspannung für Rechner und Kameras liefert. Alle Systeme sind abgesichert und lassen sich mit einem zentralen Trennschalter ausschalten.

Neben dem fest installierten Navigationssystem können unterschiedliche mobile Navigationsgeräte im Innenraum befestigt werden. Zurzeit finden ausschließlich Fahrversuche im öffentlichen Verkehr statt. Für spezifische Fragestellungen, die ein hohes Maß an Ablenkbarkeit fordern und dadurch ein hohes Gefährdungspotential besitzen, können die Fahrzeugteststrecken der Wehrtechnischen Dienststelle für Kraftfahrzeuge und Panzer in Trier (WTD 41) frei genutzt werden, da bereits ein Kooperationsvertrag zwischen dem IFT und der WTD 41 besteht.

Derzeit wird im Rahmen einer Diplomarbeit im Fach Psychologie an der Universität Trier eine Untersuchung zum Einfluss visueller und akustischer Informationen von Navigationssystemen auf die Aufmerksamkeit des Fahrers durchgeführt. Im Rahmen realer Fahrversuche im normalen Straßenverkehr wird überprüft, inwieweit die Aufmerksamkeit des Fahrers durch ein Navigationsgerät beeinträchtigt wird. Es lassen sich hierbei differenzielle Effekte in Bezug auf Personenmerkmale wie Alter, Geschlecht, Fahrerfahrung und Erfahrung mit Navigationssystemen vermuten. Im Versuch wird zum einen die Informationsmodalität (visuell, akustisch, visuell und akustisch) und zum anderen die Schwierigkeit der Fahrtstrecke (leicht vs. schwer) variiert. Als abhängige Variablen werden die Blickbewegungen erfasst (Anzahl, Dauer der einzelnen Blicke und Gesamtdauer der Blicke zum Navigationsgerät), Fehler in der Primäraufgabe des Fahrens registriert und Fehler in der Sekundäraufgabe erhoben. Die Versuchspersonen werden hierzu zu charakteristischen Merkmalen der Strecke (Anzahl Ampeln, Vorfahrtsschilder) befragt. Dieses Vorgehen findet sich in der Literatur unter Begriffen wie „post event probes“ und „peripheral detection task“. Hierdurch sind Rückschlüsse auf die so genannte „situation awareness“ (Situationsbewusstsein) und den „workload“ (Arbeitsbelastung; mental, visuell oder motorisch) möglich. Zusätzlich werden die subjektive Beanspruchung über einen Fragebogen (NASA-TLX) erfasst und Fragen zum Ausmaß der subjektiv empfundenen Ablenkung vom Fahrgeschehen gestellt (z.B. Schätzungen der Blickhäufigkeit und -dauer). Die mit der Erfassungstechnik des Fahrzeugs erhobenen, sehr umfangreichen Videodaten werden im Usability-Labor des Instituts für Innovative Informatik-Anwendungen der FH Trier ausgewertet und anschließend statistisch auf signifikante Unterschiede überprüft.

Ziel dieser Studie ist es, die entwickelten Methoden zur Messung der Ablenkbarkeit und Aufmerksamkeitslenkung zu optimieren und in weiteren Experimenten verschiedene Navigationsgeräte vergleichend zu betrachten, Optimierungspotentiale aufzudecken und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

Im Rahmen dieser Studie wurden bereits 2007 zusätzlich Befragungen von Nutzern von Navigationsgeräten durchgeführt und Personen, die an Navigationsgeräten interessiert sind, zu ihren Bedürfnissen befragt. Die Stichprobengröße umfasste hierbei ca. 500 Personen, die mittels Umfragen in Fußgängerzonen und über Online-Fragebögen befragt wurden. Die ermittelten Informationen dienen zum einen ebenfalls der Möglichkeit, gezielt Defizite und Unzufriedenheiten mit existierenden Navigationsgeräten aufzudecken, und zum anderen bieten sie die Möglichkeit, das Nutzungsverhalten zu erforschen. Da Informationen von Interessenten und Besitzern von Navigationsgeräten vorliegen, sind Vergleiche von erhofftem Nutzen und tatsächlicher Nutzung der Geräte möglich. Die Analysen von Zusammenhangsstrukturen zwischen dem Geschlecht, dem Besitz anderer technischer Geräte (Notebook, PDA, Handy usw.) und dem Besitz eines Navigationsgerätes können anhand der vorliegenden Daten ebenfalls durchgeführt werden.